Gemeinsam einsam - über die Einsamkeit als (werdende) Mama
Mamasein

Gemeinsam einsam – allein unter Müttern

Vor gut zwei Wochen, an einem dieser letzten warmen Spätsommertage, schnappte ich mir mein Baby und wir machten einen Ausflug. Zu Hause wäre mir fast die Decke auf den Kopf gefallen. Mein Partner sollte nicht vor 20 Uhr nach Hause kommen und ich musste einfach raus. Also fuhren wir zu den Tiergehegen im Park.

Vor Ort angekommen durfte ich feststellen, dass die Tiergehege Ausflugsziel Nummer 1 für alle Neumamis der Umgebung waren. Überall zogen Horden von Kinderwagen an mir vorbei. Meistens zu zweit oder in größeren Gruppen. Und ich saß auf einer Bank, fütterte mein Baby und fühlte mich irgendwie einsam. So allein unter Müttern.

Aber dieses Gefühl der Einsamkeit war mir nicht neu, im Gegenteil. Wenn ich zurückdenke, begleitete es mich sogar schon seit dem Beginn meiner Schwangerschaft. Ich war in der 5. Woche schwanger als ich Beschäftigungsverbot „am Kind“ bekam. Ganze 35 Wochen bevor mein Baby zur Welt kommen sollte. Ich arbeitete damals als Sonderpädagogin und liebte meine Arbeit als Klassenlehrerin an einer Grundschule. Auch wenn ich das Beschäftigungsverbot schon ein bisschen vorhersehen konnte, kam trotzdem alles ganz plötzlich. Und von heute auf morgen war alles anders…

Gemeinsam einsam - über die Einsamkeit als (werdende) Mama

Einmal bin ich noch zu den Kindern in den Klassenrat gegangen, um mich zu verabschieden. Ich hatte eine Birne dabei, die ich im Sitzkreis herumgab und erzählte den Kindern, dass mein Baby im Bauch nun etwa so groß sei wie diese Frucht. Und dass es Krankheiten gäbe, die für mein Baby sehr gefährlich sein können. Für mich als Erwachsene wäre so ein kleiner Schnupfen nicht schlimm, aber für das birnengroße Baby in meinem Bauch schon. Das könne sogar daran sterben. Und weil Hygiene und Gesundheit und die Sache mit den vielen Bakterien an unseren Händen eh vor kurzem Thema war, verstanden die Kinder ziemlich gut, dass ich nun nicht mehr in der Klasse arbeiten konnte.

Die Arbeit mit den Kindern, die ich so liebte, fehlte mir sehr. Auch wenn ich weiterhin regelmäßig zur Schule fuhr, um im Mitarbeiterzimmer an den verschiedensten Aufgaben zu arbeiten, war es anders als vorher. Anders und einsam.

Vielleicht wäre es mir leichter gefallen, wenn ich andere schwangere Mütter um mich herum gehabt hätte. Ich hatte meine Schwester und meine Mutter, denen ich viel über dieses Schwangersein erzählen konnte und es tat unendlich gut zu hören, dass es auch ihnen ganz ähnlich erging wie mir. Unter meinen Freundinnen war aber niemand schwanger. Und es hatte auch niemand Kinder. Niemand kannte das mit der Übelkeit oder den Kreislaufbeschwerden oder den schlaflosen Nächten. Niemand wusste, wie aufregend es ist, den kleinen blinkenden Punkt auf dem Bildschirm des Ultraschallgeräts zu erblicken oder wie es sich anfühlt, wenn das Baby Schluckauf hat.

Als ich zusammen mit meinem Partner zum jährlichen Grillfest seiner alten Schulfreunde fuhr, war ich in der 26. Woche schwanger. Von 10 anwesenden Frauen waren 8 schwanger. Wahnsinn! Ich kam mir ein bisschen vor wie im Schwangerenparadies. Endlich Frauen, mit denen ich dieses seltsame Schwangerding gemeinsam hatte. Aber ich hatte das Gefühl gar nicht wahrgenommen zu werden. „8 Schwangere? Ich zähl nur 7, wer denn noch?“ „Wie du bist schwanger? In welcher Woche denn?“ Während mir mein Bauch schon ziemlich groß vorkam, war er für andere Mütter quasi nicht existent. Aber was sollte ich machen, ich war halt dünn und bin es auch heute noch. Daran änderte auch die Schwangerschaft nichts. Und weil ich nicht wie die anderen Mütter mit den Schwangerschaftspfunden zu kämpfen hatte, fühlte ich mich schon wieder irgendwie einsam.

Mach doch einen Kurs! Ja gerne, aber der Geburtsvorbereitungskurs, der Säuglingspflegekurs UND der Aquagym-Kurs ermöglichten mir zwar ein wenig Austausch mit anderen Schwangeren, nur leider fand ich niemanden, mit dem ich wirklich auf einer Wellenlänge surfte. Da hatte ich wohl einfach Pech. Und ging mal wieder einsam nach Hause.

Eines Tages saß ich auf dem Sofa, sah den Tag an mir vorbeiziehen und beschloss meinen lieben Freund Google zu befragen, ob es noch andere Schwangere gab, die sich so einsam fühlten wie ich. Und sieh mal an, es schien sogar ein recht weit verbreitetes Phänomen unter werdenden Mamis zu sein. Neben dem Thema der Einsamkeit wurden noch viele andere Themen rund um die Schwangerschaft, Geburt und den Alltag mit Baby in unzähligen Foren diskutiert. Aber wer diskutierte denn da eigentlich? Denn seien wir mal ehrlich, wenn ich viele gute Freunde hätte, die mir und meinem Dickbauch mit Rat und Tat zur Seite stünden, bräuchte ich doch nicht das Forum befragen. Und das brachte mir wohl die wichtigste Erkenntnis meines bisherigen Mamadaseins: Ich war zwar einsam, aber – ich war nicht alleine damit!

Inzwischen ist mein Baby fast 1 Jahr alt und ich blicke auf 20 Monate zurück, in denen ich mich immer wieder einsam gefühlt habe. Anfangs als Schwangere, aber auch später als Mama. Besonders stark empfand ich es in den ersten Monaten mit Baby (in der Zeit entstand auch mein allererster Mamabeitrag hier auf dem Blog). Meine ganze Welt stand plötzlich Kopf und ich wusste gar nicht mehr wirklich, wer ich war. Ich war eine Mama! Krass! Das war mir alles total fremd. Damit muss man erstmal klarkommen.

Das war bevor die vielen Babykurse losgingen, in denen ich erste Gleichgesinnte kennen lernte, mit denen ich tatsächlich auf einer Wellenlänge war – Halleluja! Und besonders gut tat es, endlich Fragen stellen zu können.

Der wohl häufigste Dialog von allen:

„Kennt das noch jemand?“ – „Ja klar, bei uns ist das ähnlich!“

Puh. Das ist ja schon mal sehr beruhigend. Gut zu wissen, dass ich damit nicht alleine bin.

Und dann saß ich auf dieser Bank im Park zwischen den Tiergehegen, fütterte mein Baby und beobachtete die anderen Mamas, die mit ihren Kinderwagen an mir vorbeizogen. Und fühlte mich mal wieder ein bisschen einsam, so allein unter Müttern. Aber nur ein kleines bisschen. Denn da hinten war noch eine Mama ganz alleine unterwegs. Und die da drüben sah auch irgendwie einsam aus, obwohl sie den anderen Mamas hinterherdackelte. Und ich dachte mir – ja, vielleicht ist das Leben manchmal einsam. Aber es tut gut zu wissen, dass es auch anderen Müttern so geht. Es ist eben eine dieser Phasen. Und dann lehnte ich mich entspannt zurück und war eigentlich ganz glücklich, mit den kitzelnden Sonnenstrahlen auf meiner Nasenspitze und einem breiverschmierten Baby im Buggy.

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